KI und neue Mobilitätskonzepte

 

 KI in der Wirtschaft

Kapitel 14: Künstliche Intelligenz in der Automobilindustrie – Autonome Fahrzeuge und neue Mobilitätskonzepte

Die Automobilindustrie steht vor einem tiefgreifenden Wandel, und Künstliche Intelligenz (KI) ist eine treibende Kraft hinter dieser Transformation. Mit dem Aufstieg autonomer Fahrzeuge, neuen Mobilitätslösungen und vernetzten Fahrzeugen wird KI zur Schlüsseltechnologie, die die Art und Weise, wie wir uns fortbewegen, revolutioniert. Von selbstfahrenden Autos bis hin zu intelligenten Verkehrssystemen – KI eröffnet völlig neue Möglichkeiten in der Automobilbranche, die Effizienz zu steigern, die Sicherheit zu erhöhen und den Komfort der Nutzer zu verbessern.

In diesem Kapitel untersuchen wir, wie KI die Automobilindustrie transformiert, welche Fortschritte bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge gemacht werden und wie neue Mobilitätskonzepte durch KI ermöglicht werden. Wir beleuchten außerdem die Herausforderungen, denen sich die Industrie bei der Implementierung von KI stellen muss, und welche ethischen Fragestellungen sich dabei ergeben.

14.1 Autonome Fahrzeuge: Die Zukunft der Mobilität

Autonome Fahrzeuge – auch bekannt als selbstfahrende Autos – gelten als eines der bedeutendsten Anwendungsgebiete von KI in der Automobilindustrie. Diese Fahrzeuge können ohne menschliche Eingriffe fahren, indem sie KI-gestützte Sensoren, Kameras und Radargeräte nutzen, um ihre Umgebung wahrzunehmen und auf Veränderungen in Echtzeit zu reagieren. Das Ziel ist es, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen, Verkehrsstaus zu verringern und den Fahrkomfort zu maximieren.

14.1.1 Die fünf Stufen der Autonomie

Die Entwicklung autonomer Fahrzeuge erfolgt schrittweise, und der Grad der Autonomie wird in fünf Stufen unterteilt:

  • Stufe 1: Fahrerassistenz – Fahrzeuge verfügen über Assistenzsysteme wie Tempomat oder Spurhalteassistent, der Fahrer bleibt jedoch in voller Kontrolle.
  • Stufe 2: Teilautomatisierung – Das Fahrzeug kann bestimmte Funktionen wie Lenken und Beschleunigen automatisch ausführen, der Fahrer muss jedoch jederzeit eingreifen können.
  • Stufe 3: Bedingte Automatisierung – Das Fahrzeug kann in bestimmten Situationen vollständig autonom fahren, erfordert aber immer noch die Überwachung durch den Fahrer.
  • Stufe 4: Hochautomatisierung – Das Fahrzeug kann in den meisten Situationen autonom fahren, ohne dass der Fahrer eingreifen muss, aber in einigen Ausnahmefällen ist menschliche Unterstützung erforderlich.
  • Stufe 5: Volle Automatisierung – Das Fahrzeug ist vollständig autonom und benötigt keinen menschlichen Fahrer mehr, auch in komplexen Verkehrssituationen.

Der Übergang zu Stufe 5, in der Fahrzeuge völlig ohne menschliches Eingreifen fahren können, ist das ultimative Ziel, und viele führende Automobilhersteller und Technologieunternehmen arbeiten intensiv daran, diese Vision zu realisieren.

Beispiel: Unternehmen wie Tesla, Waymo (ein Tochterunternehmen von Alphabet/Google) und General Motors (mit der Marke Cruise) entwickeln selbstfahrende Fahrzeuge, die bereits auf den Straßen getestet werden. Teslas Autopilot-System bietet beispielsweise fortschrittliche Fahrerassistenzfunktionen (Stufe 2), während Waymo mit seinem Robotaxi-Dienst in Phoenix bereits hochautomatisierte Fahrzeuge (Stufe 4) im Einsatz hat.

14.1.2 KI-Technologien hinter autonomen Fahrzeugen

Autonome Fahrzeuge stützen sich auf verschiedene KI-Technologien, um ihre Umgebung wahrzunehmen, Entscheidungen zu treffen und sicher zu navigieren:

  • Computer Vision: Mithilfe von Kameras und Sensoren erfasst das Fahrzeug visuelle Daten seiner Umgebung. Diese werden von KI-Systemen analysiert, um Fußgänger, andere Fahrzeuge, Straßenschilder, Fahrspuren und Hindernisse zu erkennen.
  • Sensordatenfusion: Autonome Fahrzeuge kombinieren Daten aus verschiedenen Quellen – wie Kameras, Lidar (Laser-Entfernungsmessung), Radar und GPS – um ein präzises Bild der Umgebung zu erstellen. KI-Systeme verarbeiten diese Daten in Echtzeit, um die bestmögliche Fahrentscheidung zu treffen.
  • Deep Learning und neuronale Netze: KI-Systeme nutzen maschinelles Lernen, insbesondere Deep Learning, um Verkehrsverhalten und Szenarien zu erlernen. Diese Systeme werden mit Millionen von Fahrszenarien trainiert, um auf verschiedene Verkehrssituationen vorbereitet zu sein.

Beispiel: Waymo setzt auf eine Kombination aus Lidar, Kameras und Radarsystemen, um eine 360-Grad-Sicht auf die Umgebung zu gewährleisten. Die KI-Systeme von Waymo analysieren diese Daten kontinuierlich und ermöglichen es dem Fahrzeug, sicher durch Stadtstraßen und komplexe Verkehrssituationen zu navigieren.

14.1.3 Sicherheit durch autonome Fahrzeuge

Einer der größten Vorteile autonomer Fahrzeuge ist das Potenzial, die Verkehrssicherheit zu verbessern. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich rund 1,35 Millionen Menschen weltweit bei Verkehrsunfällen, von denen der Großteil durch menschliches Versagen verursacht wird. Autonome Fahrzeuge könnten viele dieser Unfälle verhindern, indem sie menschliche Fehler eliminieren, wie z. B. Ablenkungen oder fehlerhafte Entscheidungen.

Beispiel: Die KI-gestützten Systeme von Tesla verfügen über fortschrittliche Funktionen wie automatische Notbremsung, Spurhalteassistent und Auffahrwarnungen, die das Risiko von Unfällen verringern. Auch bei Unternehmen wie Volvo, das sich dem Ziel der “Vision Zero” (null Verkehrstote in Volvo-Fahrzeugen) verschrieben hat, spielt KI eine zentrale Rolle, um das Fahren sicherer zu machen.

14.2 Neue Mobilitätskonzepte durch KI

Neben autonomen Fahrzeugen verändert KI auch die Art und Weise, wie Mobilitätsdienste angeboten und genutzt werden. Neue Mobilitätskonzepte wie Ridesharing, Carsharing und Mobility-as-a-Service (MaaS) werden durch KI effizienter und zugänglicher gemacht. Diese Dienste bieten eine flexible und kostengünstige Alternative zum traditionellen Fahrzeugbesitz.

14.2.1 Ridesharing und Carsharing

KI-basierte Ridesharing-Plattformen wie Uber und Lyft nutzen maschinelles Lernen, um den besten Fahrer für einen Fahrgast zu finden, Fahrtrouten zu optimieren und die Nachfrage in Echtzeit zu prognostizieren. KI-Algorithmen analysieren Verkehrsdaten, Nutzerverhalten und Standortinformationen, um die effizienteste Fahrstrecke und Wartezeiten zu berechnen.

Beispiel: Uber verwendet KI, um die Preisgestaltung dynamisch anzupassen und Fahrgäste mit Fahrern in der Nähe zu verbinden. Die Algorithmen berücksichtigen dabei Faktoren wie Verkehrsbedingungen, Wetter und die aktuelle Nachfrage, um das Fahrerlebnis sowohl für Kunden als auch für Fahrer zu optimieren.

Carsharing-Plattformen wie Share Now und Zipcar bieten eine flexible Alternative zum Fahrzeugbesitz. KI wird eingesetzt, um Fahrzeuge zu verfolgen, Wartungsbedarfe vorherzusagen und sicherzustellen, dass genügend Fahrzeuge in stark frequentierten Gebieten verfügbar sind. Diese Dienste bieten eine kostengünstige und umweltfreundlichere Alternative zum Besitz eines eigenen Autos.

14.2.2 Mobility-as-a-Service (MaaS)

Das Konzept von Mobility-as-a-Service (MaaS) zielt darauf ab, verschiedene Verkehrsmittel nahtlos in einer einzigen Plattform zu integrieren. Nutzer können öffentliche Verkehrsmittel, Ridesharing, Carsharing und Mietfahrräder über eine App kombinieren, um ihre Route effizienter zu gestalten. KI spielt eine entscheidende Rolle bei der Integration und Optimierung dieser Dienste, indem sie Routen in Echtzeit plant, Verkehrsmuster analysiert und die optimale Kombination von Verkehrsmitteln für die jeweilige Strecke vorschlägt.

Beispiel: In Helsinki wurde eine MaaS-Plattform namens Whim entwickelt, die es den Nutzern ermöglicht, verschiedene Verkehrsmittel über eine App zu buchen und zu kombinieren. Die KI-gesteuerte Plattform berücksichtigt Faktoren wie Verkehr, Wetterbedingungen und persönliche Präferenzen, um die beste Reisekombination für die Nutzer zu ermitteln.

14.3 Herausforderungen und ethische Fragestellungen bei autonomen Fahrzeugen

Trotz der beeindruckenden Fortschritte stehen die Automobilindustrie und die Entwickler von autonomen Fahrzeugen vor einer Reihe von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt. Dazu gehören technologische Hürden, rechtliche Unsicherheiten, ethische Dilemmata und die Akzeptanz durch die Öffentlichkeit.

14.3.1 Technologische Herausforderungen und Infrastruktur

Die Entwicklung vollständig autonomer Fahrzeuge (Stufe 5) erfordert nicht nur fortschrittliche KI-Systeme, sondern auch eine geeignete Infrastruktur. Straßen, Verkehrszeichen und Ampeln müssen in der Lage sein, mit autonomen Fahrzeugen zu kommunizieren, was den Ausbau von Smart Cities erfordert. Zudem sind aktuelle KI-Systeme noch nicht in der Lage, in allen Verkehrssituationen fehlerfrei zu agieren, insbesondere in komplexen urbanen Umgebungen oder bei extremen Wetterbedingungen wie Schnee und Nebel.

Beispiel: Waymo hat festgestellt, dass autonome Fahrzeuge in dichtem Nebel oder starkem Regen Schwierigkeiten haben, die Umgebung präzise zu erfassen, da die Sensordaten gestört werden. Solche Probleme müssen gelöst werden, bevor autonome Fahrzeuge in allen Regionen und unter allen Bedingungen eingesetzt werden können.

14.3.2 Ethische Dilemmata: Das “Trolley-Problem”

Eine der bekanntesten ethischen Herausforderungen für autonome Fahrzeuge ist das sogenannte Trolley-Problem. Dabei handelt es sich um eine Situation, in der das Fahrzeug eine Entscheidung treffen muss, bei der ein Unfall unvermeidlich ist, jedoch mehrere Handlungsoptionen zur Verfügung stehen, die unterschiedliche Konsequenzen haben. Wie soll die KI entscheiden, wenn sie etwa wählen muss, ob sie auf einen Passanten zufährt oder in eine Gruppe von Fußgängern ausweicht? Solche Dilemmata stellen die Entwickler von KI-Systemen vor komplexe moralische Entscheidungen.

Beispiel: Ein Forscherteam des MIT führte das “Moral Machine” Experiment durch, bei dem Menschen weltweit befragt wurden, welche Entscheidungen autonome Fahrzeuge in solchen Dilemma-Situationen treffen sollten. Die Ergebnisse zeigten, dass moralische Präferenzen je nach Kultur und Region stark variieren. Diese Unterschiede werfen Fragen auf, wie globale Standards für die ethische Programmierung autonomer Fahrzeuge entwickelt werden können.

14.3.3 Akzeptanz und Vertrauen der Öffentlichkeit

Ein weiterer zentraler Aspekt ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in autonome Fahrzeuge. Viele Menschen stehen der Idee skeptisch gegenüber, dass ein Fahrzeug ohne menschliche Kontrolle sicher durch den Verkehr navigieren kann. Um die Akzeptanz zu erhöhen, müssen Entwickler sicherstellen, dass autonome Fahrzeuge extrem sicher und zuverlässig sind. Zudem müssen Transparenz und Aufklärung gefördert werden, damit die Öffentlichkeit die Vorteile und Funktionsweise dieser Technologien versteht.

Beispiel: Nach einem tödlichen Unfall mit einem selbstfahrenden Fahrzeug von Uber im Jahr 2018 gerieten autonome Fahrzeuge in die Kritik, und das Vertrauen in diese Technologien wurde erschüttert. Solche Vorfälle verdeutlichen die Bedeutung strenger Sicherheitsstandards und die Notwendigkeit umfassender Tests, bevor autonome Fahrzeuge auf den Markt kommen.


Fazit Kapitel 14:

Künstliche Intelligenz transformiert die Automobilindustrie und eröffnet neue Möglichkeiten für autonome Fahrzeuge und innovative Mobilitätskonzepte. Autonome Fahrzeuge versprechen, den Straßenverkehr sicherer und effizienter zu machen, während neue Mobilitätsdienste wie Ridesharing und MaaS flexible Alternativen zum Fahrzeugbesitz bieten. Trotz der beeindruckenden Fortschritte stehen die Branche und die Entwickler vor technischen, rechtlichen und ethischen Herausforderungen, die gelöst werden müssen, um die Akzeptanz und die umfassende Einführung dieser Technologien zu fördern.


Nächste Woche wird untersucht, wie KI in der Landwirtschaft eingesetzt wird, um die Effizienz in der Nahrungsmittelproduktion zu steigern, nachhaltigere Anbaumethoden zu fördern und den Einsatz von Ressourcen zu optimieren.

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Author: autorklaussedlacek